Drei Paar Schuhe über einem Kabel
Zertanzte Schuhe,  Schreibtools

Adaption eines Märchens anhand „Im Bann der zertanzten Schuhe“

Wie alle Märchenspinner habe ich mich bei „Im Bann der zertanzten Schuhe“ für die Neuinterpretation entschieden. Dabei liebe ich es geradezu, so viele Märchenelemente wie möglich zu verwenden. Manche von ihnen spielen keine große Rolle, andere sind auch der Interpretation zum Opfer gefallen, aber am Ende ist das Original „die zertanzten Schuhe“ noch gut erkennbar und auch der Plot folgt relativ strikt den Ereignissen der Vorlage. Dennoch bewegt sich der Plot in einem ganz anderen Kleid und ist mehr das Skelett der Geschichte, während sich das eigentliche Geschehen seinen eigenen Weg sucht.

Was wäre, wenn …?

Wie auch die meisten anderen Adaptionen fing meine Geschichte mit dieser alles entscheidenden Frage an. Bei mir drehte sich die Frage um die zwölf verfluchten Prinzen, welche im Originalmärchen nicht erlöst werden. Scheinbar hat das auch niemanden gestört, in meiner Adaption wollte ich aber genau darauf den Fokus legen. Ohne zu viel vorwegzunehmen, lautet meine „Was wäre, wenn …?“ Frage wie folgt:

Was wäre, wenn es einen bestimmten Grund gäbe, aus dem die Prinzen nicht erlöst werden dürfen?

Elemente, die ihren Weg ins Buch gefunden haben

Von dieser Frage ausgehend, habe ich mir Gedanken darum gemacht, den Rest des Märchens zu adaptieren. Zuallererst war da natürlich die Figurenkonstellation, denn meine Geschichten stehen und fallen mit ihren Figuren.

Die zwölf Prinzessinnen werden von Sophie und eigentlich auch ihren Freundinnen verkörpert. Tatsächlich sind letztere jedoch immer wieder der Schere zum Opfer gefallen, so dass sie nun nur noch vage erwähnt werden. Sophie hingegen liebt natürlich das nächtliche Tanzen und weil ich bei zertanzten Schuhen immer an Ballettschuhe denken muss, wurde aus Sophie eine Balletttänzerin. Auch den Prinzessinnenhintergrund gibt es in der Geschichte. Nicht nur, dass Sophie Papas kleine Prinzessin ist, ihr Vater ist auch noch ungeheuer reich. So reich, dass er einen Haufen Privatdetektive anheuern kann, um das Rätsel seiner nächtlich verschwindenden Tochter zu lösen.

Und das bringt uns zu Jonas, dem ehemaligen Soldaten. Das Märchen sagt, dass der Soldat eine Wunde gehabt hat, die seine militärische Karriere beendet hat. Auch nimmt er die tödliche Aufgabe des Rätsellösens an. Schließlich hat er ja eh nichts mehr zu verlieren, sprich keine Zukunftsaussichten. Genau wie der Soldat im Märchen, hat auch Jonas eine kampfunfähig machende Verwundung erlitten, allerdings eine seelische. Er leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die es für ihn schwer macht, wieder zurück ins Leben zu finden.

Die zwölf Prinzen wurden genauso übernommen, wie sie im Märchen sind. Elegante Tänzer, die verflucht wurden und mysteriös bleiben. Außer dem Wunsch, von ihrem Fluch erlöst zu werden, scheint sie nichts zu motivieren, doch verbirgt sich hier eben der Kern der Ausgangsfrage.

Die alte Frau, die dem Soldaten ihren Unsichtbarkeitsmantel schenkt, wurde in der Adaption durch einen alten Bettler ersetzt. Was auf den ersten Blick wie eine merkwürdige Abweichung aussieht, hat einen überraschenden Sinn, den ich hier natürlich nicht verraten möchte. Der Unsichtbarkeitsmantel hat jedenfalls auch seinen Weg in die Adaption gefunden.

Die wohl wichtigste Adaption ist die des unterirdischen Märchenreichs, in das die Prinzessinnen jede Nacht hinabsteigen. In „Im Bann der zertanzten Schuhe“ geht es stattdessen in einen Nachtclub. Darin sieht es aber genauso aus wie im Märchen: Gold- und Silberbäume, ein See mit Booten und sogar ein Schloss am anderen Ufer. Während Sophie jede Nacht zu ihrem Prinzen tanzen geht, betritt Jonas das DeModie nur dreimal im Verlauf der Geschichte. Jedes Mal bricht er dem Märchen gemäß einen verzauberten Zweig ab und wie im Märchen ertönt darauf hin lauter Donner. Und auch Sophie fragt jedes Mal erschrocken ihren Prinzen, was das zu bedeuten hat.

Übrigens habe ich auch noch andere Märchen in der Geschichte versteckt. So ist Jonas‘ und Sophies erste Begegnung Aschenputtel entsprungen, Lucas Fluchgeschichte ist an die Schöne und das Biest angelehnt und am Ende gibt es ein ähnlich dramatisches Aufstampfen wie bei Rumpelstilzchen.

Elemente, die der Adaption fehlen

Von den anderen elf Prinzessinnen abgesehen, ist das auffälligste Element, was fehlt, der Schlaftrunk, den die Prinzessinnen den armen Jungs verabreichen, die versuchen, ihnen nachts zu folgen. Da es einfach partout nicht funktioniert hat, einerseits logisch zu erklären, warum Jonas sich jede Nacht von Sophie etwas zu trinken reichen lässt, und andererseits nicht mit Sophies Charakter vereinbaren ließ, dass sie ihren Mitbewohner monatelang unter Drogen setzt, wurde dieser Aspekt des Märchens nicht umgesetzt.

Schließlich umfasst die Geschichte ja auch ungefähr acht Monate statt drei Tagen. Nach so langer Zeit unter Drogen hätte Jonas noch ein ganz anderes Problem als sein Kriegstrauma gehabt. Die Zeit ist also ein anderes Element, das ich geändert habe. In drei Tagen hätte sich wohl keine der Figuren entwickeln können, niemand hätte seine Probleme überwunden und Sophie und Jonas hätten sich sicher nicht ineinander verliebt. Die Geschichte musste also einen längeren Zeitraum einnehmen.

Jetzt fehlen noch zwei Kleinigkeiten, die Jonas nicht aus dem DeModie mitnimmt. Das eine ist ein Diamantzweig, die passten einfach nichts in das Bild in meinem Kopf, das andere ist ein Kelch aus dem wunderbaren Reich, um die Geschichte zu beweisen. So eindrucksvoll der Märchenkelch sicher war, glaube ich, dass irgendein schickes Glas niemanden von übernatürlichen Vorgängen überzeugen würde. Zumal der Fokus der Adaption auch nicht auf der Enthüllung des Rätsels für den Vater liegt. Tatsächlich erfährt dieser im Buch recht schnell, wo seine Tochter hingeht, aber nicht, was es mit dem DeModie auf sich hat. Mein Finale sollte aber auch deutlich spannender sein als eine Beweismittelübergabe und die folgende Belohnung. Zumal ja nichts und niemand die Prinzessinnen eigentlich hindern würde, weiterhin nachts hinabzusteigen. Vielleicht wurde das Zimmer abgeschlossen.

Wie ihr seht, habe ich ziemlich viele Elemente des Originalmärchens umgesetzt und ganz im Sinne unseres Märchenspinnerleitspruchs neu verwoben: Alte Märchen im neuen Gewand.

Anmerkung: Dieser Artikel ist in einer früheren Form bereits im Märchensommer auf dem Blog Random Poison erschienen.

2 Comments

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.